Ausgabe 4/2023, November

WIdO-Themen

Arbeit gesund gestalten

Die beruflichen Fehlzeiten von AOK-Mitgliedern haben 2022 den höchsten Stand seit Beginn der gesamtdeutschen Analyse erreicht. Der aktuelle Fehlzeiten-Report beleuchtet die Hintergründe.

Für die hohen Krankenstände waren vor allem Atemwegserkrankungen verant­wortlich: Während 2021 20,6 Prozent al­ler versicherten Beschäftigten aus die­sem Grund arbeitsunfähig geschrieben waren, hatte sich diese Zahl im Jahr 2022 mit einer Quote von 41,6 Prozent verdop­pelt. Eine weitere Ursache sind die seit Jahren zunehmenden beruflichen Aus­fallzeiten aufgrund psychischer Erkran­kungen. Von denen waren insbesondere viele Beschäftigte des Gesundheits- und Sozialwesens sowie aus den Branchen Er­ziehung und Unterricht, Öffentliche Ver­waltung/ Sozialversicherung und Banken/ Versicherungen betroffen. Neben der Co­vid-19-Pandemie sind die aktuellen, mit­unter einschneidenden gesellschaftlichen Veränderungen ein möglicher Einfluss­faktor für die hohen Fehlzeiten und die psychische Belastung der Beschäftigten.

Vor diesem Hintergrund widmet sich der Fehlzeiten-Report 2023 dem Schwer­punktthema „Zeitenwende – Arbeit ge­sund gestalten“. In 28 Beiträgen aus unterschiedlichen Fachrichtungen wer­den unter anderem die folgenden Fragen erörtert: Welche Konsequenzen ergeben sich aus den gesellschaftlichen Verän­derungen für Beschäftigte? Wie können Organisationen Strukturen schaffen, in denen Veränderungen als positive Her­ausforderungen angenommen werden? Welchen Nutzen und welches Potenzial birgt das Betriebliche Gesundheitsma­nagement, um diesen Wandel positiv zu gestalten?

In der Rubrik „Daten und Analysen“ des Fehlzeiten-Reports liefern vier Beiträ­ge aktuelle Statistiken zum Krankenstand von Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mern in allen Branchen sowie zu den wich­tigsten für Arbeitsunfähigkeit verantwort­lichen Krankheitsarten, Informationen zu Anzahl und Ausmaß von Arbeitsunfällen, Daten zu Langzeitarbeitsunfähigkeiten und der Inanspruchnahme von Kinder­krankengeld sowie vergleichende Analy­sen nach Bundesländern, Städten, Bran­chen und Berufsgruppen.

Pflegefinanzierung: Eigenanteile im Pflegeheim

Das WIdO berichtet seit Juni 2023 regelmäßig über die Entwicklung der Eigenanteile in Pflegeheimen.

Pflegebedürftige mit einer Wohndauer von weniger als einem Jahr im Pflegeheim zahlten im September durchschnittlich 1.330 Euro pro Monat allein für die pflegebedingten Kosten hinzu und damit bereits 14 Prozent mehr als zu Jahresbeginn. Anders als in der Krankenversicherung erhalten Versicherte Pflegeleistungen aufgrund des Teilleistungssystems seit jeher nur bis zu einem gesetzlich fixierten Betrag. Aufgrund des stetigen Anstiegs der pflegebedingten Eigenanteile gibt es seit 2022 nach Wohndauer differenzierte Zuschläge. Informationen zur Entwicklung der Eigenanteile, der Kosten für Unterkunft und Verpflegung als auch der Investitionskosten je Bundesland stehen in einem neuen Downloadbereich zur Verfügung. Die Analysen basioeren auf den im AOK-Pflegenavigator veröffentlichtenn Preisen.

QSR-Verfahren: Qualität und Transparenz

Zwischen den Kliniken in Deutschland bestehen große Qualitätsunterschiede. Das zeigen aktuelle Ergebnisse aus dem Verfahren "Qualitätssicherung mit Routinedaten (QSR)" des WIdO.

Rund 910.000 Operationen und Eingriffe in 13 Leistungsbereichen wurden für die Jahre 2019 bis 2021 ausgewertet und bis Ende 2022 nachbeobachtet. Dabei wurden die Kliniken anhand ihrer risikoadjustierten Komplikationsrate einer von drei Bewertungskategorien zugeordnet. Die Entfernung einer Gallenblase ist ein Routineeingriff. In Kliniken mit unterdurchschnittlicher Qualität treten dabei im Mittel bei 10,4 Prozent aller Operierten Komplikationen auf. Das sind rund dreimal so viel wie in Kliniken mit überdurchschnittlicher Qualität. Die Ergebnisse der Kliniken für alle untersuchten Leistungsbereiche können in der Krankenhaussuche des AOK-Gesundheitsnavigators abgerufen werden.

Die WIdO-Themen zum Herunterladen

Analysen – Schwerpunkt: Menschen mit besonderen Versorgungsbedarfen

Soziale Benachteiligungen im Bildungs- und Gesundheitssystem

Thomas Altgeld, Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e. V., Hannover

Die gesellschaftliche Spaltung in Deutschland beginnt bereits im Bildungssystem. Soziale und bildungsbezogene Benachteiligungen haben auch massive gesundheitliche Folgen. Empi­rische Daten zum Gesundheitsstatus und zur Mortalität in Relation zur sozialen Lage sind vorhanden. Über mögliche besondere Schwierigkeiten, Bedürfnisse und Anforderungen von Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau in der deutschen Gesundheitsversorgung liegen bis auf Einzelfallstudien allerdings keine syste­matischen Auswertungen des Versorgungs­geschehens vor. Barrieren, die den Zugang zu medizinischer Versorgung erschweren können, sind bekannt, sie werden aber nicht einmal in Bezug auf Sprachbarrieren systematisch abge­baut. Hier besteht eine Bringschuld der Gesundheitspolitik und des Gesundheitssystems, solche Barrieren zu reduzieren.

Geistig behinderte Menschen und ihr Versorgungsbedarf

Lina Stölting und Martina Hasseler, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Wolfsburg

Im Zentrum dieser Analyse stehen Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung im Kontext ihrer gesundheitlichen und pflege­rischen Versorgung in Deutschland. In dem Beitrag werden besondere pflege- und gesund­heitsbezogene Bedarfe, bestehende Barrieren im Gesundheitssystem sowie erlebte Ungleichbe­handlungen der Zielgruppe beleuchtet. Abschlie­ßend werden daraus resultierende Handlungs­empfehlungen aufgezeigt und diskutiert.

Gesundheitsversorgung für ältere Menschen

Cornelia Kricheldorff, Katholische Hochschule Freiburg

Die alternde Gesellschaft stellt das deutsche Gesundheitswesen – vor allem mit Blick in die Zukunft – vor große Herausforderungen. Im Zusammenhang mit der kontinuierlich steigenden Anzahl der Menschen im höheren Lebensalter geht es insbesondere um zwei zentrale Themen. Zum einen ist dies die Frage, wie der in diesem Kontext absehbare Mehrbedarf an Gesundheits- und Pflegeleistungen gut bewältigt werden kann, ohne dass das Gesundheitssystem kollabiert. Ganz entscheidende Faktoren sind dabei Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention in der alternden Bevölkerung. Zum anderen zeigen einschlägige Studien und Daten sehr deutlich, dass sich soziale Ungleichheit im Lebenslauf auf die Gesundheitskompetenz auswirkt. Morbidität und Mortalität älterer Menschen werden deutlich von Bildungsstand, sozialem Status und Einkommen beeinflusst. Eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung wird damit auch zur sozialen Herausforderung in der gesundheitsbezogenen Versorgungsstruktur und in der Pflege.